Text: Katharina Mandlinger
Am nordöstlichen Rand der Lüneburger Heide, zwischen Graswiesen, einem Waldstück und einer Pferdeweide, wiegen sich grüne Halme sanft im Wind. In der Luft hängt ein leicht würziger Duft. Ein Falke steht in der Luft und im nahgelegenen Wohngebiet mäht irgendwer den Rasen. Alles ganz normal auf den ersten Blick. Beim zweiten Hinschauen allerdings erstreckt sich am Wegesrand: ein riesiges, dichtbewachsenes Hanffeld.
Landwirt Günter Rühe (61) hat hier auf zwei Hektar sandigem Heideboden h Nutzhanf gesät – eine Hanfsorte also, die kein berauschendes THC enthält und deren Anbau Landwirten in Deutschland gestattet ist. Als die Pflanzen ein paar Wochen später hoch genug standen, ist Rühe auf seinem Rasenmäher hineingerollt in die grüne Pracht. Das Ergebnis: Besucher können heute auf einem Pfad durch den Hanfwald wandeln, der zu einem runden Platz inmitten des Feldes führt und von dort aus weiter, wieder hinaus auf den Feldweg.

Von Qigong bis Porno
Hinein in den Hanf darf, wer Lust hat. Den Kornkreis in der Mitte stellt Rühe gern für Aktionen zur Verfügung. Die Qigong-Gruppe, die sich immer mittwochsabends in seinem Feld trifft, ist dabei bei Weitem nicht das Ungewöhnlichste, das Rühe bisher in seinem Hanfwald erlebt hat. „Einmal“, erzählt er, „kam hier ein Typ vorbei, der einen Film im Feld drehen wollte.“ Was für ein Film das werden sollte – ein Porno nämlich – wurde Rühe erst später klar, als die Hauptdarstellerinnen in einem Auto vor dem Feld auf ihren Einsatz warteten. Das Ergebnis zu Gesicht bekommen, lacht er, hat er aber nie.
Bis zu drei Meter hoch können die saftig-grünen Hanf-Halme wachsen. Zumindest theoretisch – praktisch wird das Feld in diesem Jahr wohl ein Stück unter dieser Marke bleiben, schätzt Rühe, „weil wir so einen trockenen Frühling hatten.“ Hanf braucht viel Dünger. Deshalb hat der Landwirt eine Menge Mist aufgebracht auf sein Feld. Aber ohne Regen verteilen sich die Nährstoffe nicht recht im Erdreich, und so reichen die Halme dieses Jahr an einigen Stellen nur bis zum Oberschenkel. Am besten gedeiht der Hanf etwas weiter hinten im Feld auf einem ehemaligen Misthaufen. Hier stehen die Pflanzen dicht an dicht und haben die zwei Meter längst hinter sich gelassen. Zwei Schritte hinein in diesen Bereich, und schon fühlt man sich wie im Dschungel. Rühes Schäferhund Rocky lässt sich nicht zwei Mal bitten: Volle Kraft voraus springt der betagte Rüde hinein ins Grüne und prescht durch die Halme, dass es nur so raschelt und rauscht.
Hanf: 1 – Mähdrescher: 0
Der Nutz- oder Industriehanf ist vielseitig einsetzbar: Seine Samen eignen sich als Tierfutter, die Fasern taugen für die Textil- oder Papierherstellung und aus den Blüten lässt sich CBD-Öl herstellen. Leicht macht es die Pflanze dem Landwirt aber nicht. „Im ersten Jahr bin ich mit dem Mähdrescher ins Feld gefahren, aber nach ein paar Metern hat er ein komisches Geräusch von sich gegeben: Der Keilriemen war hinüber“, erinnert sich Rühe an seine ersten Ernteversuche. „Die Hanffasern sind so stabil, die haben sich überall im Mähdrescher verfangen.“ Einfach an die Samen heranzukommen ist also nicht. Und auch die Gewinnung des begehrten Blütenharzes hat es in sich: Sie müssen sorgsam getrocknet werden, doch dafür fehlt auf dem Bauernhof der Platz. Deshalb betreibt Rühe das Feld einfach als Spaßprojekt, „für die Anbauerfahrung und auch, um ein Statement zu setzen, dass der Hanfanbau in Deutschland gut möglich ist“.

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